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Strände des Alentejo: Abseits des Rummels

Foto: Helge Sobik

Strände des Alentejo Die ganz große Weite

Geradeaus nach Westen kommt dort, wo Portugal endet, nur das Wasser des Atlantiks - davor liegen kilometerlange Strände. Die Küste des Alentejo ist so schön wie die Algarve, nur unberührter.
Von Helge Sobik

Maria Gato aus Carrasqueira fuhr 50 Jahre lang mit ihrem kleinen Holzkahn fischen. Heute ist sie fast 70, hat das Fischen aufgegeben: "Ich bin zu alt dafür", sagt sie und spaziert zum Gemeindeschwimmbad, um dort zur Abkühlung ein bisschen im Wasser zu planschen. Ihre drei Hunde folgen ihr.

Warum sie nicht unten am Rio Sado oder ein paar Kilometer weiter am Meer baden geht wie die Urlauber, die extra wegen der nahen Strände von Troiá, von Comporta und Pinheirinho von weither angeflogen kommen? Erst zögert sie, dann antwortet sie doch: "Ich bin zu skeptisch", sagt die Frau leise, die 50 Jahre Fischerin war. Sie traue dem vielen Wasser nicht - denn sie habe nie schwimmen gelernt.

Wie sie denn dann ohne Sorge bei Wind und Wetter herausfahren konnte? "Ich hatte ja das Boot. Und meinen Mann, der auch dabei war", sagt sie und lächelt. Ob sie noch schwimmen lernen will? "Não", sagt sie, "nein." Sie könne das Meer ja anschauen. Vom Ufer aus. Oder vom Boot. Aber hineinsteigen? "Não." Im Pool ist das Ufer näher: "Mein Ozean hat Fliesen." Jetzt lacht sie.

Es gibt viel Meer hier, die ganz große Weite. Geradeaus nach Westen kommt dort, wo Portugal endet, nur Wasser - 5000 Kilometer Atlantik mit ein paar Inselchen. Und bevor der Ozean beginnt, sind da diese Strände des Alentejo: erst die Dutzende Kilometer langen Dünen, später Steilküsten und Klippen dieses Landstrichs, der südlich von Lissabon beginnt und irgendwann auf die Algarve trifft. Es sind lange, fast weiße Strände, und oft sind sie kilometerweit nicht bebaut.

Fisch vom Felsangler

An diesem Morgen ist noch nichts los an der Praia da Comporta: Vor der Beach Bar stehen zwei Autos, die Tür ist gerade erst aufgeschlossen, die Kaffeemaschine eben erst angeschaltet. Aber Gilberto Gil singt bereits von der großen Liebe, von Sonne, Sommer und Sand - weil Kellnerin Marta es so will und die passende CD eingelegt hat. Unten am Strand läuft ein Pärchen in die Wellen und hält dabei Händchen. 50 Schritte weiter steht ein Strandangler, im Sand liegen Muschelschalen, die der Zufall zu kleinen Kunstwerken arrangiert hat.

Wann hier denn mal richtig Andrang herrscht? "Nachher", sagt Marta, "später am Vormittag. Dann werden ein paar Dutzend Leute hier sein." Und jeder wird mindestens 30 Meter Strand ganz für sich allein haben. Es ist viel Platz an dieser Küste, allenfalls unmittelbar vor den Hotels von Tróia ist das anders - falls zufällig gerade August sein sollte.

Ins Alentejo reisen Individualtouristen - Leute, die mit dem Leihwagen oder dem Wohnmobil herumtouren. Oder Leute, die geführte Wander- oder Fahrradreisen gebucht haben und in kleinen Hotels, in Pensionen oder Ferienhäuschen absteigen. Immer sind sie nah dran am Alltag, am Lebensgefühl, an Menschen wie Maria Gato, die sich über das Interesse der Fremden freuen und beim Meia de Leite, dem portugiesischen Milchkaffee, oder einem Glas leichtem Weißwein aus dem Hinterland ins Plaudern geraten.

Manchmal braucht es dafür keinen Wein, keinen Kaffee, nicht mal Mobiliar - nur einen Felsen wie den, auf dem Antonio Silva aus Brunheiras fast jeden Tag hockt. Er freut sich über Fremde, die den alten Fischerpfad Trilho dos Pescadores entlang der Steilküste nördlich von Vila Nova de Milfontes wandern und sich einfach zu ihm an die Kante setzen, die Beine wie er baumeln lassen und womöglich ebenfalls eine Angelschnur den Abgrund hinunter werfen - oder nur schauen.

Weshalb dies sein Lieblingsplatz ist? Der Alte mit der Baskenmütze grinst: "Weil es nicht weit bis nach Hause ist. Weil die sargos, die Barsche, hier gut beißen. Und weil ich es liebe, auf die Wellen in diese Weite zu schauen und dabei dem Wind zuzuhören, dem Gurgeln der Flut auf dem Grund der Bucht."

Jetzt zieht Silva plötzlich an der Angel, und die meditative Ruhe ist für einen Moment wie weggeblasen: Wieder hat er einen Barsch an Land und dann gleich weiter in den bereit gestellten Eimer befördert. Am Nachmittag auf dem Nachhauseweg wird er die Ausbeute an eines der Fischrestaurants verkaufen. "Frischer noch als von den Booten!", sagt er. Mit Kräutern und Zwiebeln gegrillt, wird sein Fang am Abend serviert.

Schokokuchen für die Wanderer

Gut 80 Kilometer lang ist der Fischerpfad zwischen Porto Covo und Odeceixe. Seit 2012 ist er ausgeschildert und firmiert als Teil der Rota Vicentina, eines Wanderwegnetzes durch diesen Teil des Alentejo. Was Dona Idália aus Vila Nova de Milfontes davon hält? "Viel!", sagt sie und nimmt eilig zwei kleine Schokokuchen aus dem Backofen.

Gemeinsam mit ihrem Mann Antonio José betreibt sie eine Pension mit sechs Zimmern in einer schmalen Gasse mitten in der Altstadt. "Seit der Pfad ausgebessert und bekannter geworden ist, kommen mehr Gäste - Wanderurlauber von weither, aus Deutschland, aus Frankreich, sogar aus Skandinavien." Und jedem backt sie zur Begrüßung Kuchen - und serviert ein Gläschen Portwein dazu. Ist das die typische Alentejo-Gastfreundschaft? "Vielleicht", sagt sie. "Aber vor allem ist es meine."

Was sie tut, wenn die tief stehende Sonne den kleinen Leuchtturm von Vila Nova von Weiß in Orange umfärbt? Wenn Mario Gato oben in Carrasqueira den Tag mit einem Bad im Gemeinde-Schwimmbad beschließt und Antonio Silva längst vom Angeln zurück ist? Sie backt schnell noch ein Brot. Und noch mehr Kuchen. Für morgen. Weil ihre Wanderer weiter die Küste entlang gen Süden ziehen wollen - und noch Proviant brauchen.