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Kerosinsteuer Europas Airlines müssen um Steuerprivilegien fürchten

Fluglinien zahlen auf Kerosin keine Steuern. Damit soll nach dem Willen vieler Politiker in Europa bald Schluss sein. Für die Airlines könnte das laut einer Studie teuer werden.
Betankung eines Flugzeugs mit Kerosin

Betankung eines Flugzeugs mit Kerosin

Foto: Maja Hitij/ DPA

Die Einführung einer Kerosinsteuer könnte Europas große Fluglinien bis zu 15 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Wie Berechnungen des Öko-Instituts für den SPIEGEL zeigen, würde die Lufthansa am stärksten belastet. Bei einer Steuer von 33 Cent je Liter Flugbenzin kämen auf die deutsche Gesellschaft Kosten von mehr als 2,5 Milliarden Euro pro Jahr zu - sofern ihr gesamter Treibstoff mit diesem Satz besteuert würde. Die Lufthansa-Gruppe inklusive Swiss, Austrian Airlines, Eurowings und anderen Linien würde dann sogar 4,2 Milliarden Euro mehr aufwenden müssen.

Die IAG-Gruppe (unter anderem British Airways, Iberia) müsste den Berechnungen zufolge für Kerosin rund 3,9 Milliarden Euro, Air France/KLM 3,5 Milliarden, Ryanair 1,5 Milliarden, Easyjet knapp eine Milliarde und die SAS mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr an den Fiskus abführen.

33 Cent je Liter sind der Mindeststeuersatz für Kerosin, den die EU in ihrer Energiesteuerrichtlinie aus dem Jahr 2003 vorschreibt. Bisher befreit Brüssel die kommerzielle Luftfahrt von dieser Abgabe. Doch dieses Steuerprivileg will die neue Kommissionschefin Ursula von der Leyen in ihrem neuen "Green Deal" "genau prüfen", wie es in der offiziellen Verlautbarung heißt.

Ihr Stellvertreter Frans Timmermans geht noch viel weiter. "Ich glaube, dass es eine Kerosinsteuer geben muss", erklärte er nach Verkündung des "Green Deals" auf der Weltklimakonferenz in Madrid. "Wenn Sie Ihr Auto mit Benzin betanken, zahlen Sie Steuern, wenn Sie den Zug nehmen, müssen Sie Mehrwertsteuer bezahlen. Wenn Sie das Flugzeug nehmen, ist das Kerosin nicht besteuert. Das ist nicht richtig." Dem SPIEGEL sagte Timmermans, er werde für die Kerosinsteuer kämpfen.

Wachsender Luftverkehr, wachsende Probleme

Timmermans ist nicht allein. Zuletzt haben sich unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, das Umweltbundesamt und das niederländische Parlament für eine Kerosinsteuer starkgemacht. Im November forderten neun Finanzminister, darunter die aus Deutschland, Frankreich und Italien, in einem Brief an Brüssel eine "neue Form der Luftverkehrsbesteuerung oder ähnliche Maßnahmen" - zumal auf internationale Flüge auch keine Umsatzsteuer erhoben werde. "Frans Timmermans hat meine volle Unterstützung", sagt nun auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) dem SPIEGEL.

Ursula von der Leyen und Frans Timmermans

Ursula von der Leyen und Frans Timmermans

Foto: OLIVIER HOSLET/EPA-EFE/REX

Das Problem wird drängender, denn allen Klimadiskussionen zum Trotz steigt die Zahl der Flüge und Passagiere weiterhin massiv. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geht davon aus, dass der weltweite Luftverkehr bis 2040 um rund 3,7 Prozent jährlich wachsen wird. Waren im Jahr 2016 rund vier Milliarden Passagiere weltweit unterwegs, sollen es 2040 über 9,4 Milliarden sein. Die Zahl der Flüge wächst kräftig von 35,5 Millionen auf ungefähr 53 Millionen in diesem Zeitraum. Ebenso steigt die Zahl der Reisenden pro Flugzeug von 111 im Jahr 2016 auf dann durchschnittlich 179.

Das DLR erwartet Kapazitätsengpässe und kommt zu dem Schluss, dass neben dem Einsatz größerer Maschinen vor allem Flughäfen ausgebaut werden müssten, um den Passagieransturm überhaupt bewältigen zu können. Laut der DLR-Analyse werden vor allem Hubs, also große Drehkreuzflughäfen, der Belastung kaum standhalten können. In Europa zählt London Heathrow laut Studie zu den am stärksten betroffenen Großflughäfen, bis 2040 verschiebe sich der Engpass Richtung Asien, etwa nach Jakarta.

Mehr Steuer als aktueller Gewinn

All diese realistischen Modellrechnungen erhöhen den Druck zu handeln. Unter Experten ist ohnehin längst klar, wozu die aktuelle Politik führt: "Die Bevorzugung des Luftverkehres durch Steuerbefreiungen ist ein Anreiz für die Menschen, ausgerechnet das klimaschädlichste Verkehrsmittel zu nehmen", sagt Jakob Graichen, Energie- und Klimaexperte des Öko-Instituts. Und: "Es ist sozial ungerecht, dass gerade die reichen Vielflieger bevorzugt werden."

Die Branche wehrt sich nach Kräften gegen neue Abgaben. Sie bevorzugt Selbstverpflichtungen. So hat Easyjet gerade angekündigt, den CO2-Ausstoß aller Flüge durch Kompensationszahlungen auszugleichen. Hierfür will die britische Low-Cost-Airline rund 29 Millionen Euro bereitstellen. Eine Kerosinsteuer käme sie nach Berechnungen des Öko-Instituts mehr als 30-mal so teuer.

Das internationale Zivilluftfahrtabkommen stünde der Steuer nicht entgegen. Es verbietet den Staaten bei internationalen Flügen nur eine Besteuerung des Treibstoffs, der sich schon im Flugzeugbauch befindet - nicht aber bei neu getanktem Kerosin.

Die Lufthansa berechnete auf Anfrage des SPIEGEL selbst die Auswirkungen einer 33-Cent-Kerosinsteuer - und kam dabei auf ähnliche Kosten wie das Öko-Institut. "Da wir aber einen Teil unseres Treibstoffbedarfs nicht in Europa tanken, würde sich die Summe entsprechend reduzieren", erklärte ein Sprecher. Er sagte, eine mögliche Kerosinsteuer könne nur auf Inner-EU-Flüge erhoben werden, nicht aber auf Flüge aus der EU heraus oder in sie hinein. Sie beträfe daher nur ein Drittel des Treibstoffverbrauchs. Experte Graichen sieht das anders: "Energiesteuern werden am Ort des Befüllens erhoben - unabhängig davon, wo dann letztlich der Verbrauch ist."

Schätzungen zufolge tankt die Lufthansa zwei Drittel ihres Kerosins auf EU-Flughäfen. Eine Kerosinsteuer, die auf alle Befüllungen in der EU erhoben würde, würde die Lufthansa-Gruppe also um die 2,8 Milliarden Euro kosten. Zum Vergleich: Der Konzerngewinn betrug 2018 rund 2,2 Milliarden Euro.