Dieser Weg wird kein leichter sein

von Stefan Hupka (Badische Zeitung vom 28.05.2008)

Wahnsinn? Per Bus in 70 Tagen um die halbe Welt, nach Peking
Sie könnten auch anders. Anders kämen sie um Wochen schneller, um tausende Euros billiger, um vieles bequemer ans Ziel. Aber sie haben es nicht anders gewollt. Für sie ist wirklich der Weg das Ziel — der Allerweltsspruch, hier trifft er mal zu. Das offizielle Ziel dagegen — gut lesbar aufgesprüht auf ihrem Verkehrsmittel — ist den meisten von ihnen so egal, dass sie, wenn sie es am 6. August endlich erreicht haben werden, spornstreichs umkehren und nach Hause fliegen. Peking? Was will man schon in Peking?

Mit dem Omnibus von Freiburg nach Peking, entlang der alten Seidenstraße — der Mann, der sich diesen Wahnsinn ausgedacht hat, heißt Hans-Peter Christoph und macht eigentlich keinen wahnsinnigen Eindruck. Er freue sich drauf, sagt er. Soll man ihm das glauben? Kann sich einer freuen auf 15 000 Kilometer auf dem Kutschbock eines 26-Tonners, durch mesopotamische Wüsten, über zentralasiatische Schlaglochpisten? Durch Länder namens Kirgistan oder Turkmenistan, was nach Säbeltanz und Opiumpfeife, aber nicht nach schneller Grenzabfertigung klingt? Und mit 25 Menschen im Fond, von denen die meisten sich noch nie begegnet sind, die nun 70 Tage und Nächte miteinander klar kommen müssen und auch noch was erleben wollen für ihr Fahrgeld, 13 000 Euro plus Spesen?

Hans-Peter Christoph findet das alles in erster Linie "spannend" . Vielleicht ist es seine Namensgleichheit mit dem Schutzpatron der Spediteure, die dem 50-Jährigen Gleichmut gibt. Vielleicht ist es auch ein großer Sack Erfahrung. Fest steht: Eine Reise wie diese, zu der der Freiburger Busunternehmer an diesem Samstagabend aufbricht, begleitet von einem weiteren Fahrer, einem Mechaniker und den 25 Touristen, hat nicht nur er noch nie gemacht. Auch sonst ist eine solche Bustour nirgendwo google- oder aktenkundig.

In 70 Tagen kann viel passieren. Damit keiner sagt, das habe er nicht gewusst, hat Christoph es vorsorglich in den Prospekt hineingeschrieben: "Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Zeitplan durcheinandergerät Vielleicht erreichen wir unser Hotel erst mitten in der Nacht , vor allem aber auch der Orientkenner Christoph. Schon Ende der Siebziger hatte der Twen aus Offenburg wenig Lust, mit Massen deutscher Hippies griechische Strände platt zu liegen und setzte sich in die damals noch exotische Türkei ab. Später überführte er Lastwagen nach Persien. Zum Orientfan geworden, studierte Christoph vier Semester Islamwissenschaft in Freiburg, lernte Koch in der "Enoteca" , gründete schließlich mit einem Kompagnon und einem gemieteten Reisebus 1990 die Firma "Avanti" . Heute sieht man seine roten Busse mit dem FR-Kennzeichen nicht nur in Paris, London, Mailand und an klassischen Mittelmeerzielen, sondern sogar im persischen Isfahan oder dem libyischen Tripolis.

"Anders reisen" , nennt Christoph seine Devise, "nachhaltig" . Nicht jetten, sondern Entfernungen so überwinden, dass der Seele und den Sinnen Zeit bleibt, das große Ganze auch zu verarbeiten. Den Luxus muss das nicht ausschließen: Christophs nagelneuer China-Bus der Marke Setra gehört zum Modernsten, was der Markt zu bieten hat, dreiachsig, gespickt mit elektronischen Assistenzsystemen, streng abgasgereinigt. Und teurer als ein Einfamilienhaus.

Ob sich das Ganze rechnet? "Keine Ahnung" , seufzt Hans-Peter Christoph schicksalsergeben. Mit manchem hat er nicht gerechnet, etwa dem Visa-Stress bis zur letzten Minute. Er weiß nur, wenn er dann am Steuer des roten Riesen sitzt und durch die unendliche Weite Asiens brummt, nächste Station, sagen wir, Samarkand — dann wird das alles abgefallen sein von ihm und seinen Fernostfahrern.

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